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Entwicklung des Milchzellgehaltes in den Betrieben mit einem Automatischen Melkverfahren

Eine Alternative zur Melkarkeit in konventionellen Melkständen ist das Automatische Melkverfahren (AMV), bei dem der Melkvorgang automatisiert abläuft und der Zeitpunkt des Melkens von den Kühen selbst bestimmt wird. In den letzten fünf Jahren haben zahlreiche Betriebe in Schleswig-Holstein auf ein AMV umgestellt, besonders im Jahre 2008, als die Zahl der AMV-Betriebe von 31 auf 80 anstieg. Aktuell arbeiten 111 Mitglieder des Landeskontrollverbandes Schleswig-Holstein e. V. (LKV) mit einem AMV. Das sind 3,0 % aller Mitglieder. Insgesamt haben 138 Betriebe im LKV schon einmal mit einem AMV gearbeitet. Z. T. sind sie wieder zum Melken im Melkstand zurückgekehrt. Andere Mitglieder haben inzwischen die Milchkuhhaltung aufgegeben bzw. sind aus dem LKV ausgeschieden.

Den AMV-Betrieben wird allgemein nachgesagt, dass sie Milch mit einem höheren Zellgehalt produzieren als Betriebe, die in einem Melkstand melken. Hinweise dazu und Daten aus anderen Bundesländern sind in der Ausgabe 6/2011 der Zeitschrift „top agrar“ zu finden. Wie die in Tabelle 1 dargestellten Ergebnisse zeigen, gilt das auch für die schleswig-holsteinischen AMV-Betriebe. Um das zu zeigen, wurden die jährlichen Herdendurchschnittszahlen der Betriebe nach dem Melkverfahren differenziert (Tab. 1). Betriebe in der Umstellungsphase und solche, die gleichzeitig mit einem AMV und einem Melkstand arbeiten, wurden dabei nicht berücksichtigt. Für den Vergleich wurden die Betriebe mit einer den AMV vergleichbaren Herdengröße ausgewählt (40-140 Kühe). In den Jahren 2009 und 2010 wiesen die Betriebe mit einem AMV im Jahresdurchschnitt ein um 40.000 Zellen/ml Milch höheres Zellzahlniveau auf.

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Das höhere Zellzahlniveau der Betriebe mit einem AMV lässt sich erst richtig beurteilen, wenn die Daten zu den Ergebnissen aus der Zeit vor der Umstellung in Beziehung gesetzt werden. In einer Auswertung wurde deshalb die Entwicklung von 54 Betrieben in einem Zeitraum von einem Jahr vor bis zwei Jahre nach der Umstellung auf ein AMV verfolgt. Der Umstellungszeitpunkt der einzelnen Betriebe lag zwischen Dezember 2004 und Februar 2009, schwerpunktmäßig mit einem Anteil von 60 % jedoch im Jahre 2008. Für die Betriebe wurden für die Zeiträume direkt vor und direkt nach der Umstellung sowie in jeweils halbjährlichen Schritten im Abstand zur Umstellung die Durchschnittsleistung und der Milchzellgehalt an den entsprechenden Prüftagen errechnet. Hierbei wurden jeweils drei Prüftermine zusammengefasst, um durch einzelne extreme Ergebnisse mögliche zufällige Schwankungen zu vermeiden. Das Ergebnis von einem Jahr vorher enthält z. B. den Durchschnitt aus den Prüftagen 11 bis 13 Monate vor der Umstellung. Das Ergebnis direkt vorher wurde aus den letzten drei Prüfungen vor der Umstellung errechnet. Direkt danach enthält dementsprechend die ersten drei Prüfungen mit einem AMV.

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Die Entwicklung von 54 Betrieben vor und nach der Umstellung auf ein AMV zeigt die Tabelle 2. Die AMV-Betriebe haben ihre Herden in den drei Jahren des Auswertungszeitraumes im Mittel um 14 Kühe bzw. 17,7 % aufgestockt. Die jeweils höchsten Anteile an trockengestellten Kühen direkt nach der Umstellung sowie ein und zwei Jahre danach deuten darauf hin, dass der Umstellungszeitpunkt bewusst so gewählt wurde, dass die Zahl der nach der Umstellung zu melkenden Kühe zunächst möglichst gering gehalten wurde.

Die Milchleistung der Kühe wurde in ECM umgerechnet, um die Milchinhaltsstoffe in der Leistung mit zu berücksichtigen. Die Milchleistung je Kuh und Tag verringerte sich von 28,0 kg ein Jahr vor der Umstellung auf 26,6 kg direkt danach. In der Folgezeit war wieder ein Anstieg festzustellen. Eineinhalb Jahre nach der Umstellung wird der Leistungsstand von einem Jahr vor der Umstellung wieder übertroffen. Bei der Interpretation der Entwicklung ist zu bedenken, dass die Herden inzwischen aufgestockt wurden und die Ergebnisse durch das Laktationsstadium und eine unterschiedliche Zusammensetzung der Herden beeinflusst sein können.

Bei der Entwicklung des Milchzellgehaltes gibt es im Gegensatz zur Milchleistung einen eindeutigen Trend zu einem Anstieg nach der Umstellung auf ein AMV. Der Anstieg der Zellzahl unmittelbar vor der Umstellung ist möglicherweise auf das Laktationsstadium zurückzuführen. Das direkt nach der Umstellung eingetretene erhöhte Niveau hat sich auch zwei Jahre danach noch nicht wieder verringert. Der Milchzellgehalt hat sich durch die Umstellung langfristig um ca. 70.000 Zellen/ml bzw. ein Drittel vom Ausgangsniveau erhöht. Die ausgewerteten Betriebe lagen mit ihrem Milchzellgehalt vor der Umstellung auf ein AMV deutlich unter dem Durchschnitt aller LKV-Betriebe, die in der betreffenden Zeit durchschnittlich etwa 260.000 Zellen/ml hatten.

Betrieben, die auf ein AMV umstellen wollen, wird empfohlen, unbedingt vor der Umstellung die Eutergesundheit der Kühe zu sanieren, da mit dem Stress der Umstellung ein Anstieg zu erwarten ist. Um zu zeigen, wie sich die Herdenzellzahl bei einem unterschiedlichen Ausgangsniveau vor der Umstellung entwickelt hat, wurde das Datenmaterial aufgeteilt und in Abhängigkeit von der durchschnittlichen Zellzahl bei den letzten drei Prüfungen vor der Umstellung folgende Gruppen gebildet:

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Die Entwicklung der Betriebe hinsichtlich der Zellzahl, der Leistung und der Herdengröße zeigen die Abbildungen 1 bis 3. Aus der Abbildung 1 ist zu ersehen, dass sich die Zellzahl aller Gruppen außer der mit den höchsten Ausgangswerten nach der Umstellung auf ein AMV deutlich erhöhen. Selbst bei der Gruppe mit Ausgangswerten unter 150.000 Zellen/ml ist ein Anstieg von 64.000 Zellen/ml festzustellen. Relativ steigt der Zellgehalt in dieser Gruppe von Betrieben mit 45,7 % sogar am stärksten an (Tab. 3). Wenn man die Zeit direkt vor und nach der Umstellung (Monate – 1 und 1) bei der Betrachtung außen vor lässt, weisen die 6 Betriebe mit dem höchsten Zellzahl-Ausgangsniveau den geringsten Anstieg auf. Eine Bewertung der Ergebnisse der einzelnen Prüftage in diesen Herden zeigt, dass das Zellzahlniveau generell höher ist und stärkere Schwankungen zwischen den Prüftagen auftreten. Das wird an der größeren Streuung der Einzelwerte deutlich.

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In der Abbildung 2 wird die Entwicklung der Milchleistung je Kuh in der Zeit vor und nach der Umstellung dargestellt. Auch hier sind die Anmerkungen hinsichtlich Laktationsstadium und Aufstockung zu beachten. Die Entwicklung der Leistung, differenziert nach dem Zellzahlniveau der Herden vor der Umstellung, bestätigt die alt bekannte Tatsache, dass Herden mit einem geringeren Milchzellgehalt höhere Leistungen erzielen. Ein deutlich abfallendes Leistungsniveau weisen die Herden auf, die in den drei Monaten vor der Umstellung auf ein AMV schon durchschnittlich mehr als 350.000 Zellen/ml Milch aufwiesen. Die Betriebe mit dem niedrigsten Zellzahl-Ausgangsniveau weisen die höchsten Durchschnittsleistungen je Kuh und den geringsten Leistungseinbruch durch die Umstellung auf. Diese Gruppe hält allerdings auch die kleinsten Herden.

Aus der Abbildung 3 ist die Herdengröße der Betriebe in Abhängigkeit vom Zellzahlniveau vor der Umstellung auf ein AMV und die Entwicklung in dem Zeitraum von einem Jahr bis zwei Jahre nach der Umstellung ersichtlich. Die Gruppe mit den niedrigsten Zellzahlen und den höchsten Leistungen hält ca. 10 Kühe weniger als die übrigen Betriebe. Mit einem Anstieg der Kuhzahl um 13,7 % von 73 auf 83 Kühe weist sie auch die geringste Aufstockung auf. Die stärkste Aufstockung mit 22,2 % erfolgte in den Herden, die unmittelbar vor der Umstellung auf ein AMV einen Durchschnitt von 251.000-350.000 Zellen/ml hatten. Sie wiesen mit 99 Kühen auch die größten Bestände am Ende des Beobachtungszeitraumes auf. Die Betriebe mit der höchsten Zellzahl vor der Umstellung hielten ein Jahr vor der Umstellung mit durchschnittlich 87 Kühen die größten Herden. Abweichend von der Entwicklung der übrigen Herden hatten sie die Herdengröße bis unmittelbar nach der Umstellung reduziert und danach dann wieder aufgestockt. Diese Gruppe weist mit 8,0 % dennoch die geringste Aufstockung innerhalb von drei Jahren auf. Aus Tabelle 4 ist ersichtlich, dass diese Gruppe aktuell im Vergleich zu den übrigen Betrieben sogar die kleinsten Herden hält.

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In der Tabelle 4 sind die Betriebe gruppiert nach der Herdenzellzahl vor der Umstellung auf ein AMV und die Produktionstechnik betreffende Daten aufgeführt. Die Auswertung erfolgte unabhängig vom Umstellungstermin zum derzeitigen Zeitpunkt. Die inzwischen geringste Herdengröße der Betriebe mit der höchsten Zellzahl vor der Umstellung deutet auf eine Selektion zur Verbesserung der Eutergesundheit hin. Sie haben trotzdem noch das höchste Zellzahlniveau.

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Die aus Abbildung 3 ersichtlichen Unterschiede hinsichtlich der Herdengröße sind auch aktuell noch vorhanden. Die Betriebe mit 251.000-350.000 Zellen/ml halten mit durchschnittlich 103,4 Kühen die größten Herden. Mit einem durchschnittlichen Erstkalbealter von 27,7 Monaten weisen sie zusammen mit der Gruppe mit der besten Eutergesundheit die kürzeste Aufzuchtdauer auf. Die Betriebe mit den höchsten Zellzahlen haben das höchste Erstkalbealter. Mit durchschnittlich 3,3 Jahren Nutzungsdauer werden die Kühe in diesen Herden etwas länger gehalten als in den übrigen Herden. Dennoch erzielen die Kühe aufgrund des geringeren Leistungsniveaus bis zu ihrem Abgang eine geringere  Leistung je Lebenstag.

Zusammenfassung

Die LKV-Betriebe mit einem AMV weisen im Durchschnitt ein um 40.000 Zellen/ml höheres Zellzahlniveau auf als die Betriebe, die ihre Kühe in konventionellen Melkständen melken. Durch die Umstellung auf ein AMV ist in diesen Betrieben ein Zellzahlanstieg um ca. 70.000 Zellen/ml bzw. um ein Drittel eingetreten. Die Betriebe mit dem niedrigsten Niveau unmittelbar vor der Umstellung auf ein AMV weisen mit einer Erhöhung um 45,7 % relativ den stärksten Anstieg auf, bleiben mit einer Herdenzellzahl von 204.000 dennoch die mit Abstand beste Gruppe. In den sechs Betrieben mit mehr als 350.000 Zellen/ml vor der Umstellung ist mit einem Anstieg um 12,6 % absolut und relativ der geringste Anstieg festzustellen. Die Kuhzahlentwicklung in diesen Herden lässt vermuten, dass durch eine verstärkte Selektion Maßnahmen zur Verbesserung der Eutergesundheit durchgeführt wurden. Die aktuelle Kuhzahl liegt in diesen Herden unter dem Stand des Zeitpunktes der Umstellung. Alle anderen Betriebe haben ihre Herden vergrößert.

Das höchste Leistungsniveau weist die Gruppe von Betrieben mit den niedrigsten Zellzahlen auf. Bei ihnen ist der geringste Leistungsabfall nach der Umstellung auf ein AMV eingetreten. Durch ihre höhere Leistung erreichen sie auch die höchste Leistung je Lebenstag der Abgangskühe, obwohl die Kühe in dieser Gruppe die geringste Nutzungsdauer aufweisen. Neben der Technik übt das Herdenmanagement bei der Umstellung auf ein AMV einen wesentlichen Einfluss aus. Ein Hinweis auf ein überdurchschnittliches Herdenmanagement in den Betrieben mit den niedrigsten Zellzahlen ist das im Vergleich zu den übrigen Betrieben niedrigste Erstkalbealter von 27,0 Monaten.

Der Anstieg der Zellzahl nach der Umstellung auf ein AMV erfordert von den Betrieben besondere Bemühungen, um eine akzeptable Eutergesundheit in ihren Herden zu erhalten. Dazu sollten alle Informationsquellen genutzt werden. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass aus allen Gemelken eines Prüftages die Milchinhaltsstoffe und damit auch die Zellzahlen untersucht werden.

Gerhard Sieck